1564 – 1616 England
In Übersetzungen von:
Karl Richter
18.
Soll ich dich
einem Sommertag vergleichen,
Da du weit
lieblicher und milder bist?
Des Maies Knospen
müssen Stürmen weichen,
Und allzu kurz nur
währt des Sommers Frist.
Oft ist zu heiß
des Himmelsauges Glühen
Und seine goldne
Farbe oft getrübt;
So muß der Reiz
der Schönheit auch verblühen,
Wie Zufall und
Naturlauf es so liebt.
Doch soll dein
ew’ger Sommer nie ermatten,
Die Schönheit
nicht verlieren, die dir eigen,
Noch prahle Tod,
du gingst in seinem Schatten,
Da wird dein Ruhm
im Liede steigen:
So lang als Augen
sehn und Menschen leben,
So lang lebt dies
und wird dir Leben geben.
34.
Wo mochtest
schönen Tag du prophezeien,
Daß ich mich ohne
Mantel aufgemacht,
Da böse Wolken
meinen Pfad umdräuen,
In faule Dünste
hüllen deine Pracht?
Oh, nicht
genügt’s, aus Wolken nun zu brechen,
Zu trocknen mein
vom Sturm gepeitscht Gesicht;
Wird niemand gut
doch von der Salbe sprechen,
Die nur die Wunde
heilt, das Übel nicht;
Auch dein Erröten
kann den Schmerz nicht heben:
Bereust du auch,
ich habe doch den Schaden;
Des Kränkers Leid
wird schwachen Trost dem geben,
der mit der
Kränkung Kreuz ist schwer beladen.
Doch Perlen sind
die Tränen deiner Huld,
Und sie sind
kostbar, lösen jede Schuld.
38.
Wie kann es meiner
Mus’ an Stoff gebrechen,
So lang du atmest,
strömst in mein Gemüt
Dein süßes Selbst,
das würdig auszusprechen
Umsonst versuchet
ein gewöhnlich Lied?
Dir selber dank es
nur, wenn etwas mir,
Das deines Blickes
würdig ist, gelingt;
Wer wär’ so stumpf
und sänge nicht von dir,
Der die
Begeistrung anfacht und beschwingt?
Sei zehnte Mus’
und zehnfach dein die Kraft
der alten Neun, zu
welcher Reimer flehn;
Wer aber dich
anruft, gib, daß er schafft
Gesänge, die zur
fernsten Nachwelt gehn.
Wenn unsrer Zeit
mein schlichtes Lied gefällt,
Sei mein die Mühe,
dein der Ruhm der Welt.
42.
Daß du sie hast,
ist nicht mein größter Schmerz,
Ob wahr, daß immer
heiß ich sie geliebt;
Daß sie dich hat,
verletzet mehr mein Herz,
Ist ein Verlust,
der tiefer mich betrübt.
Seid, liebende
Verräter, so verteidigt:
Du liebst sie,
weil du weißt, daß ich sie liebe;
Und um mein’
selber hat sie mich beleidigt,
Den Freund erhört,
daß ich geneigt ihr bliebe.
Verlier ich dich, hat
Liebchen den Gewinn,
Verlier ich sie,
den Fund dann tat mein Freund;
Ihr findet beid’
euch, mir sind beide hin,
Beid’ um mein’
selbst zu meinem Leid vereint:
Doch Freude macht:
Eins sind mein Freund und ich;
O, süße
Schmeichelei, - sie liebt nur mich!
47.
Mein Herz und Auge
sind zum Bund vereint,
Und wechselnd sich
zu dienen ihr Bestreben:
wenn dies mein
Auge schmachtend nach dir weint,
Mein liebend Herz
sehnsücht’ge Seufzer heben,
Wenn dann mein
Auge froh dein Bild erfaßt,
Lädt es das Herz
zu seinem Feste ein;
Das Aug’ ist
wieder dann des Herzens Gast
Und teilet seine
Liebesträumerein:
So durch dein Bild
wie meine Liebe weilest
Du immer, bist du
ferne gleich, bei mir,
Denn den Gedanken
nimmer du enteilest,
Ich bin bei ihnen
stets und sie bei dir;
Und schlafen sie,
so weckt dein Bild aufs neue
Mein Herz, daß es
sich samt dem Auge freue.
66.
Müd’ alles des,
ruf’ ich des Todes Nacht:
Als Bettler sehen
das Verdienst geboren,
Und dürftig nichts
geschmückt mit heitrer Pracht,
Und reinste Treu’
unselig abgeschworen,
Und goldne Ehre
schimpflich weggeschenkt,
Und jungfräuliche
Tugend roh geschändet,
Und das
Vollkommene schmachvoll gekränkt,
Und Stärke ganz
von lahmer Macht entkräftet,
Und Wissenschaft
stumm durch Gewalt gemacht,
Und Torheit weisend
den Verstand zurecht,
Und Einfachwahres
als Einfalt verlacht,
Und Gutes dienend
als des Schlechten Knecht: -
Müd’ alles des,
möcht’ ich von hinnen sein,
Ließ’ ich nicht,
sterbend, Lieber, dich allein.
79.
Als ich allein um
deine Gunst noch rang,
Ward meinem Lied
nur deines Beifalls Zeichen;
Jetzt, wo dahin
mein lieblicher Gesang,
Muß Andern meine sieche
Muse weichen.
Zwar, Lieber,
deine süßen Reize sind
Wohl wert, daß
davon tönen beßre Lieder;
Doch was von dir
dein Dichter auch ersinnt,
Er raubt dir’s
erst und zahlet dir’s dann wieder.
Er stiehlt dies
Wort, wenn er dir Tugend leiht,
Von deinem Tun;
will er dir Schönheit geben,
Auf deinen Wangen
thronet sie; es reiht
Sein Lied Vorzüge
nur, die dich erheben:
Drum lohne seinen
Sang nicht deine Huld,
Sonst bist du
selbst der Zahler seiner Schuld.
90.
So hasse, wenn du
willst, mich; aber gleich,
Da alle Welt jetzt
Tücke an mir übt,
Vereint mit dem
Geschick, führ jetzt den Streich,
Daß mich nicht
später neues Leid betrübt:
Ach nicht, wenn
sich mein Herz wähnt gramgeborgen,
Komm du im Nachzug
überstandner Not,
Der stürm’schen
Nacht nicht folg’ ein Regenmorgen,
Verzögre nicht das
Unheil, das schon droht.
Verläss’st du
mich, verlaß mich nicht zuletzt,
Wenn andre Leiden
längst schon ausgetobt,
Beim ersten
Angriff komm; so wird gleich jetzt
Von mir des
Schicksals ganze Macht erprobt;
Und was als Schmerz
verwundet mir das Herz,
Erscheint, verlier
ich dich, mir nicht mehr Schmerz.
97.
Wie einem Winter
glich mein Fernesein
Von dir, der Lust
des schnell entfliehnden Jahrs!
Wie fühlt’ ich
Frost, wie trüber Tage Pein!
Wie ringsumher
Dezembernacktheit war’s!
Und doch war
Sommer der Entfernung Zeit,
Und schwangrer
Herbst, der reichen Wachstum bot,
Die üpp’ge Last
von Lenzesfruchtbarkeit,
Gleich
Witwenschoße nach des Mannes Tod;
Doch schien der
überreiche Segen mir
Nur
Waisenhoffnung, vaterloses Kind;
Der Sommer dient
und seine Lust nur dir,
daß, schiedest du,
selbst stumm die Vögel sind;
Und singen sie,
hört’s sich so kläglich an,
Daß sich das Laub
gelbt, fürchtend Winters Nahn.
117.
Verklage mich, daß
ich so karg gemessen,
Was dein Verdienst
um mich erheischen mag;
Daß ich um deine
Huld zu flehn vergessen,
An die mich fester
kettet Tag für Tag;
Daß ich zu fremden
Herzen mich gewandt,
Ward untreu deinen
teu’r erkauften Rechten,
Und allen Winden
Segel aufgespannt,
Die dir mich aus
dem Aug’ am weitsten brächten.
Führ’ an mein
Irren, meinen Eigensinn,
Führ’ den Beweis,
ja häufe noch Verdacht,
Stell mich zum
Ziele deines Hasses hin,
Doch schieße
nicht, sowie dein Zorn erwacht;
Ich schütze vor,
ich habe deine Liebe
Geprüft nur, ob sie
fest und treu auch bliebe.
154.
Der kleine
Liebesgott lag einst und schlief,
Und neben ihm sein
herzentglüh’nder Brand,
Als zu ihm eine
Schar von Nymphen lief,
Die Keuschheit
angelobt; mit keuscher Hand
Ergriff die
schönste Schwester nun die Glut,
Die Legionen
treuer Herzen traf:
So hat den
Herrscher lustentbrannter Glut
Entwaffnet einer
Jungfrau Hand im Schlaf.
Sie löscht’ in
naher Quelle nun den Brand,
Die Hitze von der
Liebesglut annahm,
Ein Bad nun ward,
worin Genesung fand
So mancher Kranke;
doch als ich hinkam,
Dort Heilung
suchend, hab ich wohl gefühlt,
Daß Flut, von
Lieb’ entbrannt, nicht Liebe kühlt.